Kunst ist unbezahlbar!

Interview mit Johannes Maria Staud

2000 erhielten 10 junge Komponisten Aufträge von der Stadt Frankfurt am Main, im Rahmen des Millenniumprogramms »Frankfurt 2000« Werke für das Ensemble Modern zu schreiben. Darunter Markus Hechtle, Enno Poppe und Johannes Maria Staud, die inzwischen alle mit dem Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung ausgezeichnet wurden. Von ihnen wird das EM auch in diesem Jahr wieder Werke zur Aufführung bringen: neue Auftragskompositionen von Markus Hechtle und Johannes Maria Staud sowie u.a. ein Orchesterwerk von Enno Poppe mit dem Ensemble Modern Orchestra unter der Leitung von Pierre Boulez. Dies nahm das EM zum Anlass, mit den Dreien einmal über die Umstände der Entstehung ihrer Musik zu sprechen, Herausforderungen, Chancen und Schwierigkeiten des Komponistenalltags. Ein heikles Thema, das Mut zur Offenheit verlangt - wir haben es trotzdem versucht. Die Fragen stellte Susanne Laurentius.

Ensemble Modern: Wie wichtig sind Vorgaben bei der Annahme eines Auftrages?

Johannes Maria Staud: Es gibt oft Vorgaben, die einem nicht so sympathisch sind. Dass man sich zum Beispiel im Mozartjahr auf eine Skizze beziehen soll, die bei Mozart auftaucht. In diesen Momenten fühlt man sich als Komponist immer ein bisschen bevormundet. So etwas passiert natürlich zu besonderen Anlässen. Es kann auch inspirieren, sich wieder mit einer Partitur zu beschäftigen, die man sich schon lange nicht mehr angesehen hat, aber im Grunde ist es doch eine Einschränkung, bei der freien Inspirationssuche. So etwas passiert natürlich oft zu besonderen Anlässen. Beim EM würde das ja nie vorkommen, dass einem gesagt werden würde, man solle sich bitte auf ein bestimmtes Stück oder einen Komponisten beziehen.

Naja, das EM hat letztes Jahr zwei Aufträge zum Mozartjahr vergeben...
Ich muss ja gestehen, dass ich auch ein Stück zum Mozartjahr geschrieben habe. Aber das war kein Kompromiss! Ich habe einfach versucht aus der Not eine Tugend zu machen. Ich habe eine vorgegebene Mozart-Skizze für Cello und Klavier genommen, und habe sie ergänzt und orchestriert. Dann, nach einem harten Schnitt fängt das eigentliche Stück an, das bei oberflächlichem Hören nicht viel mit dem Vorangegangenen zu tun hat, ihm aber dennoch seinen Ursprung mitverdankt. Also habe ich die Auftragspflicht am Anfang erfüllt, die mich in Folge natürlich auch inspiriert hat. Äußere Vorgaben können Kreativität in einer Weise beflügeln, da man mit Dingen konfrontiert wird, mit denen man sich sonst nicht beschäftigt hätte. Oder man bekommt eine Idee, die einem zuerst nicht so nahe liegend war. Abkämpfen an Ideen kann ja oft auch interessant sein. Es gibt immer Themen für einen Komponisten, auf die man anspringt, wenn sie von Außen an einen herangetragen werden und es gibt Themen, bei denen man von Anfang an Bauchweh hat.

Besetzung und Dauer sind Vorgaben, aber inwieweit spielen Interpreten, Aufführungsort und -kontext mit in die Komposition hinein?

Interpreten, Aufführungsort und -kontext spielen immer mit in die Komposition hinein. Wenn man ein Stück schreibt und die Interpreten, den Ensembleklang oder auch den Dirigenten kennt, dann ist das immer inspirierend.

Das EM hat letztes Jahr mit chinesischen Komponisten zusammengearbeitet und dabei auch zwei Aufträge vergeben. Die Komponistin Zhang Lida hat in der Einführung in Frankfurt zu diesem Auftrag gesagt, dass sie zum ersten Mal keine Vorgaben hatte und nicht wusste, wie sie mit dieser Freiheit umgehen sollte. Da habe ich mich gefragt, wie frei ein mitteleuropäischer Komponist eigentlich wirklich ist.
Das ist interessant. Ich lese gerade eine Biographie über Ravel und sehr viele seiner Werke sind ja auf Anregungen hin entstanden, auf die er eingegangen ist, und das sind ja nun wirklich keine schlechten Stücke.

Es war früher ja gang und gäbe, dass für bestimmte Anlässe Stücke komponiert wurden.
Heute ist es fast immer so, dass es der Auftraggeber gut mit einem meint und von Anfang an sehr offen bleibt. Man kann ihn anrufen und sagen, dass man mit einem Thema Probleme hat. Das ist alles eine Frage von Kommunikation. Es ist auf jeden Fall nicht uninteressant, ab und zu eine Anregung zu bekommen.

Was mich in dem Zusammenhang eigentlich fast am meisten interessiert ist, welche Form der Auseinandersetzung es mit den Auftraggebern nach der Uraufführung eines Stückes gibt.
Es gibt immer Personen, denen man sehr vertraut und die einem auch ihre ehrliche Meinung sagen. Man ist bei der Uraufführung natürlich auch empfindlich, probiert etwas für sich aus, von dem man noch nicht weiß, ob es funktioniert, oder braucht noch ein paar Wochen oder Monate Zeit um das zu überprüfen. Und man ist natürlich nicht sakrosankt oder über jede Kritik erhaben. Es kommt immer darauf an, wie die persönliche Beziehung ist. Wenn man einem Menschen vertraut, der Kritik übt, dann ist das vielleicht nicht angenehm, aber oft doch nicht uninteressant.

Aber kommt solche Kritik eher von Musikern oder von Veranstaltern und wie wird sie geäußert?

Also, ein generelles Problem für Komponisten und Interpreten ist, dass prinzipiell zu schnell geurteilt wird. Ein neues Musikstück wird sofort klassifiziert. Ist es gut oder schlecht, interessant oder persönlich... Bei Veranstaltern kommt ein Urteil oft etwas vorschnell. Das ist auch wieder personenabhängig. Ein Musiker dagegen hat nie die Chance, sich das Stück von außen mit Partitur einmal anzuhören. Das geht uns Komponisten auch ähnlich, wenn wir das Werk eines Kollegen hören, dann geht man natürlich sehr oft von seinen eigenen Vorlieben und ästhetischen Prämissen aus und ist selber zu vorschnell und nimmt sich nicht die Zeit, die Partitur eines Kollegen anzuschauen und alles noch einmal zu überdenken und ein zweites Mal zu hören. Und da sind Veranstalter auch nicht anders. Ich glaube, es gibt viele ausschlaggebende Kriterien, auch eine aktuelle Stimmungslage, die Moden unterworfen ist. Und es wird ohnehin zu viel polemisiert.

Ich glaube, dass es zwischen einem Ensemble und einem Komponisten ohnehin viel einfacher funktioniert, da in einer Probe Sachen ausprobiert, diskutiert und verändert werden können.
Und dazu kommt auch die persönliche Beziehung zu einem Musiker. Der gegenseitige Austausch, der da entsteht, ist mir das wichtigste überhaupt. Es gibt natürlich auch Auftraggeber, von denen man überhaupt kein Feedback bekommt. Man schreibt etwas, es wird aufgeführt und man bekommt überhaupt keine Kritik, aber das ist nicht unbedingt unangenehmer.

Wie wichtig waren speziell die vom EM an Dich vergeben Aufträge für Dich?

Der Erste war natürlich sehr wichtig, das war 2000. Das war mein Jungfernflug in der neuen Musikwelt, mein erster großer Auftrag und man wurde gleich in eine Optimalsituation versetzt mit viel Probenzeit. Ich hatte nie das Gefühl, ich müsse um meine ästhetische Position kämpfen, sondern es war ein Aufeinanderzugehen, was nicht immer der Fall ist. Und wenn ich jetzt wieder einen Auftrag vom EM bekomme, werde ich an diese frühe gute Zeit erinnert.

Lehnst Du Aufträge ab, weil Du Dich ihnen nicht gewachsen fühlst?

Hm, ich sollte vielleicht so antworten: Ich hatte vor kurzer Zeit ein Stück für einen sehr bekannten Solisten geschrieben, den eigentlich zeitgenössische Musik nicht wirklich interessiert hat, wodurch sich die Zusammenarbeit als eher unangenehm gestaltet hat. Es gab sie auch nicht wirklich in der Probenphase und ich glaube, in Zukunft würde ich mir überlegen, ein Stück für einen Solisten zu schreiben, bei dem die Beschäftigung mit dem Neuen nur eine Alibifunktion erfüllt. Man sollte nur Stücke schreiben, die einen interessieren. Und ich lehne ab, wenn mir eine Besetzung nicht gefällt.

Nun gibt es Stipendien und Preisgelder für Komponisten, aber welchen Stellenwert haben Aufträge - außer in künstlerischer - in finanzieller Sicht? Sind die Auftragshonorare wirklich so, dass man davon leben kann?

Ich kann derzeit schon davon leben, aber das liegt daran, dass ich immer noch meinen Siemenspreis aufzehre. Naja, aber ein Auftrag ist ja eben noch mit vielen anderen Dingen verbunden. Es ist wunderbar, wenn der Auftraggeber sich merklich für deine Musik interessiert und damit dem Komponisten die Möglichkeit gibt, dass Ideen umgesetzt werden können. Man verdient etwas, und damit ist die Entstehung eines neuen Werkes verbunden. Mit Preisgeldern ist es ja so eine Sache, da man nie weiß, ob man einen Preis bekommt, und so viele bekommt man auch wieder nicht, dass man nur davon leben könnte. Aufträge sind wichtig, da man für eine gewisse Arbeit, die man erfüllt, auch bezahlt werden will. Da reicht nicht Gottes Lohn, das wäre wie wenn man einen Dirigenten fragen würde, ob er dirigieren würde, einzig weil ihm das Programm gefällt.

Sollte es eine höhere Vergabe staatlicher Aufträge geben und wie sollte die Auswahl vorgenommen werden?

Man kann ja beobachten, dass sich der Staat und die Länder vielerorts immer mehr aus der Verantwortung zurückziehen und dass immer mehr private Gelder in die Kunstförderung fließen. Man muss sich immer bewusst sein, dass dies auch ein Spiel ist im kapitalistischen freien Markt. Wenn ein privater Auftraggeber wirklich an Kunst interessiert ist und einem die Freiheit lässt, die Musik zu schreiben, die man will - das gibt es ja - dann ist gegenüber Privatinitiativen nichts Negatives anzumerken. Nur der Staat zieht sich da ein bisschen zu sehr aus der Verantwortung. Ich glaube, dass ein nicht zu unterschätzender Anteil der Menschen einen Anteil ihrer Steuergelder auch für Kunst verwendet wissen will. Von der staatlichen Seite wird oft auf die Quote oder den Eventcharakter geschielt. Doch der Staat hat die Funktion, Dinge zu ermöglichen, ohne ästhetisch zu beurteilen, damit unsere Kultur lebendig bleibt.

Ist das in England anders?

In England ist es alles ganz anders. Ich komponiere zur Zeit ein Stück, das ausschließlich von Soundinvestoren finanziert wird. Das sind Privatleute, Abonnenten, die alle einen kleinen Teil beitragen. Das finde ich eine sehr gute Idee. Die Abonnementen, bzw. die Konzertbesucher haben das Gefühl, etwas zu ermöglichen, etwas entstehen zu lassen. Sie werden dann zu Proben, einem Gespräch, einem Kaffee eingeladen und sie erhalten alle eine signierte Partitur. Es bleibt nur die Frage, wer entscheidet, wer den Kompositionsauftrag bekommt. Das wird sich nie ändern, es wird immer so etwas wie einen künstlerischen Leiter, einen Expertenbeirat geben, eine Jury.

Wäre die Forderung nach öffentlichen Jurysitzungen überhaupt wünschenswert?

Man kennt das natürlich, dass ein Juror seinen eigenen Schüler mit einem Preis beehrt, solche Dinge kommen einfach vor. Aber wer auf Dauer keine gute Musik schreibt, wird auch mit Gemauschel keinen großen Erfolg haben. Nur über Wettbewerbe kann man sich nicht künstlerisch legitimieren.

Andererseits habe ich mal eine junge Komponistin getroffen, die gesagt hat, sie käme einfach nicht weiter, weil sie zwar einen guten Lehrer hätte, der aber kein großer Name sei...
Ich glaube, man braucht keinen bekannten Professor, um eine gute Ausbildung zu haben.

Sie meinte nicht die Ausbildung, sondern eher die Chancen, die mit der Bekanntheit des Lehrers verbunden sind.
Es ist natürlich vieles eine Frage von Zufällen oder Personen, die einen unterstützen. Aber ich glaube, dass es auch nicht nur um äußere Umstände geht. Dass etwa ein ehemaliger Professor einem einen Preis verleiht, das kann einen kurzfristig weiterbringen. Aber nach einer gewissen Zeit ist man als Komponist einfach auf sich allein gestellt. Dann ist es nicht so wichtig, bei wem man gelernt hat, sondern wie die Musik ist, die man schreibt. Man will ja kein Klon seines Lehrers sein. Es gibt immer Komponisten, die bei unbekannten Lehrern waren und trotzdem Erfolg haben und welche, die bei bekannten waren und keinen haben. Und was ist eigentlich Erfolg? Ist das, viel gespielt zu werden, viele Aufträge zu bekommen? Das kann man doch eigentlich überhaupt nicht beurteilen. Es gibt einen momentanen Erfolg und dann die Frage, ob das, was man schreibt überhaupt im Repertoire bleiben wird. Momentaner Erfolg sagt nichts darüber, ob ein Musikstück sehr gut ist oder nicht. Man kann natürlich sagen, dass ein Komponist, der von Auftragskompositionen leben kann, da gut reden hat. Aber ich glaube, momentaner Erfolg sagt nicht unbedingt etwas über Qualität aus.

Bei Auftragswerken und den damit verbundenen Uraufführungen wird immer wieder die Frage nach dem Neuen gestellt. Ist das wirklich die entscheidende Frage oder geht man hier einem Attribut auf den Leim und lässt andere, viel wesentlichere Kriterien von Musik außer Acht?

Die Frage ist, was Neuigkeit ist. Ich habe zum Beispiel gerade das neue Orchesterstück von Enno Poppe in München gehört. Das ist Musik die irgendwie komplett neu ist. Er bezieht sich auf gestische Überbleibsel aus einer spätromantischen Welt, aber wie er sie kombiniert, harmonisch einbettet und formal und motivisch aufbaut, das ist absolut Neue Musik. Aber eben keine Neue Musik, die einem das Neue mit dem Presslufthammer einhämmert, sonder Musik, die sehr persönlich ist. Persönliche Musik hat immer etwas Neues. Wenn man sich als Komponist nur damit zufriedengeben würde, ältere Epochen oder etablierte Musikstile noch einmal aufzuwärmen und für sich selbst zu erforschen, ist man unehrlich. In der Kunst und in der Musik geht es eigentlich immer um das Neue an sich, die Frage ist dann, was das Neue ist. Ist es eine harmonische Arbeit, die neu ist, eine rhythmische oder eine Synthese aus schon bekannten Dingen oder deren Negation? Es gibt so viele Möglichkeiten. Sehr schön anschauen kann man sich das bei den Antipoden Brahms und Wagner. Brahms ist nicht nur der konservative Altmeister gewesen, wahrscheinlich war in Brahms genauso viel Innovatives wie in Wagner, nur ist es subtiler. Etwas anderes mit dem wir uns als Komponisten auseinandersetzen müssen, ist nicht die Krise der Musik, sondern die des Feuilletons. Das wird nie kritisiert. Dabei hat es sich seit den 60er/70er-Jahren eigentlich nicht mehr weiter entwickelt. Erstens werden die Kulturteile in den Zeitungen immer kleiner und zweitens wird ein Begriff von Moderne geprägt, der eigentlich ein retro-moderner ist. So hat man sich in Raumschiff Enterprise die Zukunft vorgestellt. Kritiker, die in den 60er/70er-Jahren groß geworden sind, versuchen nun mit diesen Parametern die zeitgenössische Musik zu beurteilen und müssen natürlich mit diesem Werkzeug scheitern. Unsere Generation bekommt dann an den Kopf geknallt, dass alles gut klingt, wieder ein gutes 15-Minuten-Stück, aber wo ist der Neuigkeitswert wie seinerzeit bei Varèse, bei Schönberg. Kritiker sollten sich ein solches Urteil nicht zutrauen. Denn welcher Kritiker besorgt sich die Partitur, schaut sie sich genau an und entdeckt vielleicht, dass da doch etwas neu ist, das man zuerst vielleicht gar nicht hört. Und ich spreche da jetzt nicht von der ewig konservativen Musikkritik, die immer nur die Melodie fordert.
Es gibt heute eine unglaubliche Vielfalt an Komponisten und Bandbreite an Stilen. Da macht das Feuilleton mit seiner misanthropischen Miesepetrigkeit viel kaputt. Die Menschen wollen alles in eine Schublade stecken. Da wird zum Beispiel etwas radikal genannt. Aber was heißt radikal? Ist etwas radikal, weil es 40 Minuten nur laut ist oder zwei Stunden nur leise? Das passiert sehr oft zur Zeit. Ich glaube, als Komponist ist es wichtig, sein eigener Kritiker zu bleiben. Man spricht ja nicht gerne offen darüber, wenn man merkt, dass einem etwas nicht so gut gelungen ist. Und es gibt natürlich auch Kritiken, die einen auf etwas hinweisen, Ausnahmen, die einen wunden Punkt in einem Stück bemerken. Aber das ist sehr selten. Die sehr offenen und intelligenten Musikkritiker sind leider die Ausnahme.

Bist Du gut beschäftigt?

Ja, ich kann mich nicht beklagen. Es macht mir noch immer unglaubliche Freude, kann mir ein Leben ohne Komponieren nicht vorstellen. Das ist sehr wichtig. Es ist ja eigentlich eine Auszeichnung, einen Beruf wie Komponist auszuüben, manchmal ist es einsam und man hat seine Abgabetermine, aber es beglückt einen und man ist froh, einfach nur Musik schreiben zu können.

Das hört sich so an, als würdest du nur noch Aufträge schreiben?

Ich schreibe nur Aufträge. Aber wenn sich jemand für ein Stück von mir interessiert, habe ich ja auch eine Freiheit der Wahl, wie ich besetzen will, was ich mache oder weglasse.

Das ändert sich im Laufe des Komponistenlebens: Am Anfang schreibt man nur für die Schublade und später weiß man, dass man aufgeführt wird.
Ja, und das ist etwas sehr Schönes, weil an sich Musik ja Kommunikation ist. Natürlich braucht man die Aufführungen. Aber ich glaube trotzdem, dass ein Musikstück auch nur auf dem Papier funktionieren kann. Natürlich ist die klangliche Umsetzung von Interpreten, wenn auch die Persönlichkeit des Interpreten und eine Auslegung der Partitur dazu kommt, ein sehr beglückender Moment. Es ist auch schön, wenn man nach dem Komponieren zum ersten Mal zu einer Probe kommt und seine innere Vorstellung mit dem klingenden Resultat vergleicht.

Wie viel stimmt dann überein?

Ich versuche, immer näher zu kommen. Das gelingt natürlich nicht immer. Man schreibt auch Musik, in der man für sich etwas ausprobiert, eine ungewöhnliche Klangmischung, vielleicht eine unbalancierte Instrumentation, bei der man nicht wirklich weiß, ob die auch in der Aufführung funktioniert. Das ist immer sehr spannend.

Ist ein Komponist käuflich?

Ja, ein Komponist ist eben insofern käuflich, als dass er seinen Lebensunterhalt verdienen muss und also - böse gesagt - eine Prostituierte ist, weil er mit Intimem Geld verdienen muss. Wie er aber damit umgeht, daran zeigt sich die Aufrichtigkeit eines Komponisten. Wie gehe ich mit einem Auftrag und dem dazugehörigen Honorar um? Versuche ich nur den Auftraggeber zufrieden zu stellen und seine Erwartungen zu erfüllen? Oder versuche ich, mich als Komponist zu entwickeln, etwas anderes zu probieren, über etwas, was man schon kann, hinauszugehen und andere Schwerpunkte zu setzen? Aber natürlich sind wir genauso käuflich wie andere, da wir abhängig sind von öffentlichen Geldern, Konzerthäusern und vielem mehr. Unser großer Vorteil ist, dass wir keine Quote erfüllen müssen. Natürlich geht es dem Veranstalter oder Ensemble darum, Publikum zu bekommen und vielleicht sogar eine neue Hörerschicht anzulocken, aber mit diesem darwinistisch-kapitalistischen Bereich wie in der Popmusik haben wir weniger zu tun und das ist unser Glück.

Vielen Dank für das Gespräch.

Ensemble Modern