Ein großer Diener der Musik

Zum Tod von Hans Zender

Das Ensemble Modern verliert mit Hans Zender einen Wegbereiter, einen Freund und Förderer, ohne dessen Engagement und Einsatz die Geschichte des Ensembles anders verlaufen wäre. Bereits im Frühjahr 1979 diskutierte er während eines von ihm geleiteten Projekts der Jungen Deutschen Philharmonie mit Orchestermitgliedern die Gründung eines Ensembles für Neue Musik und trieb diese Idee kräftig mit voran. Eineinhalb Jahre später gab das Ensemble Modern sein erstes Konzert. Der erste einer ganzen Reihe von Meilensteinen, die unmittelbar mit dem Wirken von Hans Zender zusammenhängen und von ihm maßgeblich geprägt wurden.

Da sind natürlich die Werke, die vom Ensemble Modern – teilweise auch als Auftragskompositionen – uraufgeführt wurden: ›Furin no kyo‹, im Oktober 1989 in Graz unter Leitung des Komponisten uraufgeführt; die Instrumentierung der ›5 Préludes‹ von Claude Debussy, uraufgeführt unter Leitung von Hans Zender im November 1991 in Frankfurt am Main; ›Issei no kyo, Lied vom einen Ton‹, in Witten im Mai 2011 uraufgeführt. Und dann die beiden Monumentalwerke ›Schuberts ›Winterreise‹‹, uraufgeführt unter Hans Zender im September 1993 in Frankfurt am Main und ›33 Veränderungen über 33 Veränderungen‹, uraufgeführt im November 2011 in Berlin. Zudem die Frankfurter Fassung von ›Don Quijote de la Mancha‹ in einer szenischen Produktion im Dezember 2016. Ein Werkreigen, der zusammen mit den weiteren Kompositionen von Hans Zender das Ensemble Modern geformt hat.

Prägend war Hans Zender aber auch als Dirigent, der sich mit unermüdlicher Energie für Komponist*innen einsetzte, an die er glaubte, und dabei eine unglaubliche Bandbreite abdeckte: von Paul Hindemith bis Helmut Lachenmann. Und immer wieder Bernd Alois Zimmermann und Anton Webern, deren Kompositionen sich neben den eigenen Werken wie ein roter Faden durch die gemeinsame Programmgestaltung mit dem Ensemble Modern ziehen. Rund 60 Konzerte mit Hans Zender als Dirigenten führt das Archiv des Ensemble Modern. Hinzukommen CD-Produktionen eigener und fremder Werke. Kaum ein anderer Dirigent, der so oft mit dem Ensemble gearbeitet hat. Die Zusammenarbeit begann übrigens 1986 mit einem Auftritt zur Eröffnung der Tagung des PEN-Clubs zugunsten ›Writers in Prison‹ in der Hamburger Musikhalle.

Nicht fehlen darf die Reihe ›Happy New Ears‹, die von Hans Zender zusammen mit Sylvain Cambreling ins Leben gerufen und im Oktober 1993 in der Oper Frankfurt mit einem Paukenschlag eröffnet wurde: Schönbergs Kammersinfonie op. 9 unter der Leitung von Hans Zender, mit Nuria Schönberg als Gesprächsgast. Ein Auftakt mit Zukunft. Bis heute hat das Ensemble Modern 106 Konzerte in der Reihe veranstaltet – 2016 erneut mit Hans Zender und seinen ›33 Veränderungen‹. Sein Engagement für »offene Ohren« führte Hans Zender mit der gemeinsam mit seiner ihn unermüdlich unterstützenden Gattin Gertrud gegründeten Hans und Gertrud Zender-Stiftung weiter. Auch über die Stiftung ermöglichten Hans und Gertrud Zender dem Ensemble Modern so manches Vorhaben.

Hans Zenders Musikalität, seine Genauigkeit und Präzision sowie sein unbedingter Wille und Anspruch, den Intentionen der Komponisten gerecht zu werden, definierten ebenso seine Einzigartigkeit wie sein scharfer Verstand und sein verschmitzter Humor. Diese Eigenschaften machten ihn nicht nur zu einem großartigen Komponisten und Dirigenten, sondern auch zu einem grandiosen Lehrer und Dozenten. Die jungen Musiker*innen, die das Glück hatten, mit ihm zu arbeiten, prägte diese Begegnung – ob am Instrument, mit dem Dirigierstab oder am Kompositionstisch. 1988 erlebten das erstmals die Mitglieder des Ensemble Modern in Blonay am Genfersee beim ersten Komponistenseminar, das Hans Zender zusammen mit Helmut Lachenmann und Ingo Metzmacher leitete. Neben großartigen künstlerischen und pädagogischen Erlebnissen erzählt man sich von gemeinsamen abendlichen Leserunden ...

Und so schließt sich ein Kreis: 2018 haben wir gemeinsam mit Hans Zender die Meersburger KonzertGespräche ins Leben gerufen, die im vergangenen Juni ihre Fortsetzung fanden. Schon schwer gezeichnet von seiner Krankheit war Hans Zender in den Proben mit Mitgliedern des Ensemble Modern und Studierenden der Internationalen Ensemble Modern Akademie in seinem Glaserhäusle hoch über dem Bodensee ungemein präzise und musikalisch arbeitend zu erleben. Der Austausch gerade auch mit den jungen Musiker*innen ließ ihn aufleben. Die Planungen für die Weiterführung der Konzertreihe und deren Ausweitung nach Frankfurt am Main sind für das kommende Jahr bereits weit gediehen. Erstmals wird dabei Hans Zenders ›Hölderlin-Zyklus‹ vollständig aufgeführt werden. Was mit ihm zusammen entwickelt wurde, wird nun im dankbaren Gedenken an, einen großen Musiker, an einen einzigartigen Künstler, an Hans Zender stattfinden.

Ensemble Modern