Tradition mit Erneuerungscharakter

Interview mit Alexander Farenholtz der Kulturstiftung des Bundes

Seit zwei Jahren fördert die Kulturstiftung des Bundes zwei wichtige Projekte des Ensemble Modern: Ensemble Modern Orchestra und Internationale Ensemble Modern Akademie. Der Vorstand- und Verwaltungsdirektor der Kulturstiftung des Bundes Alexander Farenholtz äußerte sich in einem Gespräch mit Roland Diry und Christiane Engelbrecht zur Aufgabe der Stiftung und wichtigen gesellschaftlichen und kulturellen Impulsen für die Zukunft.

Internationale Ensemble Modern Akademie: Die Kulturstiftung des Bundes hat die so genannten Leuchttürme zeitgenössischer Kultur etabliert, innerhalb derer die Internationale Ensemble Modern Akademie Förderung erhält. Könnten Sie die Förderziele der Kulturstiftung des Bundes noch einmal kurz erläutern?


Alexander Farenholtz: Die Kulturstiftung des Bundes gibt es ja noch verhältnismäßig kurz, nämlich seit 4 Jahren, und wir haben schon im zweiten Jahr unseres Bestehens den Eindruck gehabt, dass es auch für uns nicht schlecht wäre, wenn wir uns mit einer Reihe von herausragenden Projekten identifizieren, die ihren Platz schon gefunden haben und die auf besondere Weise das widerspiegeln, was man auch als das Profil der Kulturstiftung des Bundes identifizieren könnte. Dazu gehören Projekte wie die documenta, die Donaueschinger Musiktage, also seit langem etablierte Institutionen der zeitgenössischen Kunst, denen aber bei aller Tradition nach wie vor eine gewaltige Dynamik innewohnt. Als eines dieser Projekte haben wir im Musikbereich das Ensemble Modern gefunden, wobei es uns in erster Linie nicht um eine Existenzsicherung geht. Das ist nicht die Aufgabe, die eine Stiftung, wie wir sie sind, übernehmen sollte. Das muss nach wie vor Aufgabe staatlicher Förderung sein. Den Begriff Leuchtturm, der auf unserem Mist gewachsen ist, benutzen wir zugegebenermaßen nicht mehr, da er missverständlich insoweit ist, als dass der Eindruck entstehen könne, wir würden uns anmaßen bundesweit zu definieren, was in dieser reichhaltigen Kulturlandschaft den Begriff Leuchtturm verdient und was nicht. Das ist natürlich eine abwegige Vorstellung. Unsere Förderung war nie mit dieser Absicht verbunden, und insbesondere aus der Sicht der Länder, die ja ihrerseits eine ganz maßgebliche Kulturförderung betreiben, wäre das kein gutes Signal. Für uns ist diese Förderung durchaus ein Versuch, unsere eigene Positionierung zu unterstreichen. Nicht so sehr durch die Kulturlandschaft zu fahren und Auszeichnungen zu verteilen, sondern der Klientel deutlich zu machen, welchen Projekten wir uns nah fühlen. Es geht uns darum, diesen herausragenden Einrichtungen zu einer zusätzlichen, besonderen Kraft zu verhelfen. Ich glaube, das ist mit der IEMA geradezu einzigartig geglückt, zumal wenn man sich nun den Masterstudiengang in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main anschaut. Es gab somit eine Initiative, die sozusagen aus dem bürgerschaftlichen Bereich unmittelbar in die öffentliche Ausbildung hinein gemündet ist. Das ist schon eine besondere Entwicklung. Insofern kann man für die Förderung heute schon sagen, dass sie sicherlich sehr wertvoll war, und auch wichtig für die Kulturstiftung des Bundes, da sie sich nicht damit begnügt, eine Grundsicherung zu betreiben, sondern wirklich einen dynamischen Prozess angestoßen hat. Wo eine solche nachhaltige Spitzenförderung übrigens bis dahin überhaupt nicht bestand, war der Tanz. In diesem Genre, das in Deutschland traditionell eher benachteiligt ist, haben wir den Versuch unternommen, selber einen Impuls zu geben. Immer ist es der Tanz, der an den großen Häusern als erstes unter Streichungen zu leiden hat. Immer sind es auch die Tänzer, die sozial am schwierigsten dastehen. Da einen Impuls in die Gesellschaft zu geben, der auch beinhaltet, dass die Wahrnehmung von Tanz bis in die Schulen ein anderes Gewicht bekommen muss, war wichtig. Künftig wird wohl noch weniger der Versuch unternommen, sich an bestehende Einrichtungen anzudocken, als durch Eigeninitiativen neue Impulse zu setzen.

Liegt für Sie innerhalb der Förderung Ensemble Modern, Ensemble Modern Orchestra und IEMA ein besonderer Schwerpunkt auf der Akademie?


Ja, das würde ich sagen. Ich persönlich kenne das EMO aus meiner Rolle bei der EXPO 2000. Damals war es natürlich fast schon eine Provokation, ein solches Modell einer zukunftsorientierten Orchester-Konfiguration projektbezogen ins Leben zu rufen. Das hat auch viel Widerspruch ausgelöst. Für mich war das ein denkbares Modell, das sich mit den Zukunftsherausforderungen, die in diesem Bereich anstehen, exemplarisch auseinander setzt und damit besonders unterstützenswert. Ausschließlich neu hinzugekommen ist die Akademie, auch im Zuge der Förderung der Kulturstiftung des Bundes und insofern aus meiner Perspektive ein Projekt, das sicherlich unsere besondere Aufmerksamkeit genießt.

Wird es in Zukunft weiterhin die Möglichkeit geben, spezielle Projekte zu fördern?


Absolut, das war immer unsere Philosophie. Wir haben immer gesagt, dass wir zwei verschiedene Ausrichtungen haben: Für die eine machen wir Ohren und Augen ganz weit auf, um zu merken, welche Entwicklungen es im Land gibt. Was davon förderungswürdig ist, sollte unsere Jury identifizieren. Für die andere setzen wir durch eigene Initiativen Impulse, um neue Anstöße zu geben und Entwicklungen zu begleiten. Wie Sie sich erinnern, haben wir zu Beginn ein großes Projekt zur kulturellen Dimension von Schrumpfungsprozessen in Städten aufgegriffen. Den einsetzenden Diskussionsprozess hat die Kulturstiftung des Bundes zumindest begleitet - wenn nicht sogar ausgelöst. Diese Veränderung in der Diskussion wird es künftig nicht unbedingt nur in explizit politischen Kontexten, sondern auch stärker z.B. im Bereich der zeitgenössischen Musik geben, gerade auch mit dem Ziel der Vermittlungsarbeit von Kultur. Das ist ein Thema, das uns in allernächster Zeit zunehmend beschäftigen wird. Es geht nicht mehr nur um die schiere Förderung von Produktionen, sondern um die Förderung von Vermittlung an ein möglichst breites Publikum. Das ist für uns auch eine große Herausforderung, wir haben jetzt eine ganze Reihe von großen Projekten angestoßen: schrumpfende Städte, Migration, kulturelle Entwicklung in Osteuropa, wo wir versuchen neue Strukturen zu schaffen, die dann für die Lebenszeit dieses Projektes bestehen.

Sehen Sie im Bereich der Neuen Musik schon eine Richtungsdefinition, wenn man es so nennen kann?


Wir haben mit unserem Stiftungsrat besprochen, dass nach dem Thema Tanzplan - so nennt sich die Initiative, die wir mit einem Volumen von 12 Millionen Euro über 5 Jahre in Gang gesetzt haben - zeitgenössische Musik und deren Vermittlung Thema sein wird. Es gab im Stiftungsrat einen großen Konsens darüber, dass die zeitgenössische Musik vermutlich diejenige Sparte ist, die am stärksten den Kontakt zu einem breiten Publikum verloren hat. Das ist jedenfalls der Eindruck, der sich bei den Stiftungsräten festgesetzt hat; dass etwa Projekte im Bereich der bildenden Kunst immer wieder eine große Anziehungskraft auf das Publikum und eine große Wirkung in den Medien haben, was in der Musik in der Vergangenheit weniger geglückt ist. Insofern wird es in diesem Bereich einen Entwicklungsprozess mit zahlreichen Projekten geben, die aber im Moment noch auf den Weg gebracht werden müssen. Ich denke, dass wir in der Stiftungsratsitzung entweder im Sommer oder im Herbst erste Konturen für ein solches Programm identifizieren können.

Es gibt nun in Frankfurt den Masterstudiengang an der HfMDK - welche Bedeutung hat in Hinsicht auf Musikvermittlung die Ausbildung für Sie?


Bei uns liegt der Schwerpunkt im engeren Sinne nicht auf der Ausbildung. Das hat mit dem leidigen Thema der Zuständigkeiten zu tun. Ausbildung ist nun einmal die klassische Aufgabe der Hochschulen und insoweit Sache der Länder. Deshalb sehen wir das nicht als unsere Kernaufgabe. Wir würden immer versuchen, anhand eines künstlerischen Projektes Vermittlung exemplarisch voranzutreiben. Wir wollen keine Hochschularbeit ersetzen oder die Ausbildung von Musikern betreiben, sondern anhand erstklassiger musikalischer Produkte die Vermittlung an ein möglichst breites Publikum unterstützen. In unserer Anfangszeit wurde oft gesagt, dass eine Kulturstiftung des Bundes sich zunächst mal um den Kanon zu kümmern hat. Dies ist aus unserer Sicht nicht der Fall, im Gegenteil, gerade wenn die Länder für sich die Kultur hochhalten, dann gehört natürlich die Pflege des Erbes ganz maßgeblich zu ihren Aufgaben. Wenn man einen Mehrwert durch eine Einrichtung wie die Kulturstiftung des Bundes erzielen will, dann könnte dieser z.B. durch die Förderung von zeitgenössischen Produktionen auf 08 einem hohen Niveau gewährleistet werden. Wir haben außerdem versucht, unsere Jury interdisziplinär auszurichten, d.h. es gibt eine Jury, deren Mitglieder als Experten über ihren Tellerrand hinausblicken können. Und das hat im Ergebnis dazu geführt, dass wir eine ganze Reihe von Projekten fördern, die vom Ansatz her interdisziplinär arbeiten. Z.B. das jüngste Projekt zum Thema Migration, bei dem Musik und bildende Kunst eine Rolle gespielt, aber auch Soziologen, Politikwissenschaftler und Ökonomen mitgewirkt haben. Das ist eine Herangehensweise, die für uns in gewisser Weise paradigmatisch ist, das ist unsere Handschrift.

Wir haben mit einigen wichtigen Stiftungen in Deutschland Kontakt. Gibt es unter Stiftungen die Idee eines Netzwerkes von Stiftungen oder gibt es da in jeder Stiftung eine eigene Philosophie bzw. welche haben Sie?


Ein formalisiertes Netzwerk gibt es natürlich nicht. Es gibt natürlich Stiftungsverbände, und in diesem Verbund gibt es verschiedene Arbeitsgruppen. Es gibt da z.B. den Arbeitskreis Kulturstiftung. Ich meine, so unglaublich unübersichtlich ist die Situation ja letztendlich nicht. Wir kennen da eigentlich die wichtigen Partner. Es gibt jetzt einen sehr ambitionierten Versuch die verbliebene Unübersichtlichkeit von Kulturförderungen durch einen entsprechendes Internet-Orientierungsportal transparent zu machen. Eine Vernetzung der von uns geförderten Projekte gibt es ansatzweise durchaus, allerdings nicht in dem Sinne, dass wir auf die Projekte zugehen und sagen: Vernetzt euch mal! Meistens ist es besser, wenn die Initiative aus dem künstlerischen Projekt heraus kommt und nicht als politische Idee übergestülpt wird. Wenn ich Ihnen jetzt sage, dass Sie etwas mit der documenta oder mit der Berlinale machen sollen, dann würden Sie zu Recht sagen: Machen Sie Ihre Arbeit und wir machen unsere.

Ensemble Modern