ENTER KOREA - Tempo, Chaos, Aktivität...

Interview mit HWANG Chi Woo

Enter Korea - so lädt die Frankfurter Buchmesse dieses Jahr dazu ein, koreanische Kultur und Lebensart zu entdecken: nicht nur koreanische Literatur, sondern auch Musik, Tanz, Film u.v.m. Die Konzerte des EM spannen den Bogen von YUN Isang bis zu den jüngsten Vertretern der aktuellen koreanischen Musikszene. Roland Diry und Susanne Laurentius sprachen mit HWANG Chi Woo vom koreanischen Organisationskomitee der Buchmesse 2005 (KOFAG).

2003 wurde von der koreanischen Regierung das Gesetz für Verlagswesen und Druckdienst verabschiedet, mit dem Korea als erstes Land weltweit die Mehrwertsteuer für gedruckte Bücher abschaffte, um das Verlagswesen gezielt zu unterstützen. Wie wird Kultur in Korea außerdem unterstützt bzw. subventioniert?

Man kann sagen, dass die Aufhebung der Zensur wohl das größte Geschenk der Demokratisierung an die koreanische Kultur war. Natürlich haben Schriftsteller und Verleger einen großen Anteil daran, weil sie während der Militärdiktatur gegen diese Zensur und für Presse- und Meinungsfreiheit gekämpft haben. Viele haben lange Zeit im Gefängnis verbracht. Aber das wohl beste Beispiel für den Wandel durch die plötzliche Aufhebung der Kulturzensur ist der koreanische Film, der seitdem wie ein Pheonix aus der Asche aufgestiegen ist und eine enorme Entwicklung erlebt hat. Dass die Regierung dem Verlagswesen steuerliche Erleichterungen zugesprochen hat, scheint nur natürlich vor dem Hintergrund, dass die Verlage im Vergleich zur Filmbranche auf noch ziemlich schwachen Beinen stehen. Die Regierung hat das 21. Jahrhundert als die Ära einer Gesellschaft, die auf Wissen basiert, ausgerufen und das Verlagswesen ist eben die grundlegende Infrastruktur dafür.
Die gegenwärtige Kulturpolitik Koreas geht in dieselbe Richtung, wie sie bereits die Kim-Dae-Jung-Regierung verfolgt hat: "Subventionieren: ja. Intervenieren: nein." Der jährliche Etat des Kulurministeriums ist auf 1% des Gesamthaushaltes aufgestockt worden. Das ist im Vergleich zur Militärdiktatur eine enorme Steigerung! Auf dieser Basis baut auch die gegenwärtige Roh-Mu-Hyun-Regierung auf und führt diese Linie weiter. Insbesondere nennenswert ist, dass die Korea Culture and Arts Foundation, die bisher unter der Schirmherrschaft der Regierung Künstler der verschiedenen Kunstgenres mit so genannten "Kreationsstipendien" unterstützt hat, zu einer autonomen Institution, dem Arts Council Korea, restrukturiert wurde. Im September hat das Arts Council Korea, das sich nicht aus Beamten, sondern aus Künstlern, Schriftstellern, Schauspielern, Verlegern und professionellen Kulturmanagern zusammensetzt, die Arbeit aufgenommen. Hier werden Richtlinien beschlossen und Fonds verwaltet, die Kunst und Kultur direkt fördern, indem Kleinkunst unterstützt und das Recht der Bürger auf Kulturgenuss praktisch gewährleistet wird. Das Arts Council Korea wird neben dem Startkapital seines Grundfonds von ca. 98 Millionen Euro weitere Einnahmen aus Lottogewinnen erhalten, die etwa 40 Millionen Euro betragen. Das ist ein enorme Entwicklung!
Die meisten koreanischen Großkonzerne haben hauseigene Kulturstiftungen, für die sie Steuererleichtungen als Anreiz bekommen. So können die Konzerne einen Teil ihres Gewinns an die Gesellschaft zurückgeben und dabei gleichzeitig Werbung für sich machen. Je nach Geschmack des Konzernbesitzers unterscheidet sich das Gebiet, auf welchem die Konzernstiftung fördert. Samsung unterstützt zum Großteil die bildende Kunst, Daewoo den Bereich Kunst und Wissenschaft, Geumho Musik, die Daesan-Stiftung von Kyobo Literatur. Natürlich gibt es trotz dieser massiven Förderung durch die Konzerne immer noch viele Künstler, denen es an ausreichender Förderung fehlt.

Kultur hat auch in der koreanischen Presse eine starke Präsenz und somit Unterstützung. Die Vorstellung von Buchveröffentlichungen nimmt in der Tagespresse einen großen Raum ein und es gibt auch regelmäßige Fernsehsendungen. Haben die anderen Künste und speziell die Musik hier einen ähnlichen Stellenwert wie die Literatur?

Zeitungen sind gegenüber anderen Druckmedien der Kulturbranche verhältnismäßig wohlwollend. Das zeigt sich in folgenden Aspekten sehr deutlich: Die Anzeigenpreise für Druckerzeugnisse sind relativ niedrig. Neuerscheinung werden immer sehr ausführlich besprochen. Interviews mit Autoren und Dichtern nehmen nicht selten ein, zwei Seiten ein. Aber auch eingehende Berichte zu darstellender Kunst wie Musik, Theater, Tanz usw. werden häufig auf entsprechend großzügigem Raum veröffentlicht. Jede Zeitung hat ihr Kulturressort, in denen sie ihre Fachjournalisten für Literatur, Theater, Kunst und Publikationsmedien haben. Früher haben die Journalisten Ressorts wie Politik oder Wirtschaft bevorzugt, aber gegenwärtig hat sich ein Trend entwickelt, der zum Kulturressort tendiert.
Während sich die Printmedien eher auf Kunst auf hohem Niveau konzentrieren, sind in Radio und Fernsehen mehr massenkulturelle Berichte zu finden. Aber natürlich gibt es auch viele Interviews und Dokumentationen, wenn z. B. koreanische Künstler der klassischen Musik wie JO Su-mi, HONG Hye-gyeong, SIN Yeong-ok, Sarah Chang oder JANG Ha-na, die im Ausland leben, zu einem Auftritt nach Korea kommen.

Wie sind diese Fernsehsendungen konzipiert und an welche Zielgruppe richten sie sich? Sollen sie ein breites Publikum ansprechen oder ein kleines Fachpublikum?

In Korea gibt es die drei großen öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen KBS, MBC und SBS. Die Fernsehshows dieser Sender zielen meist auf ein breites Publikum ab. Das Repertoire der beliebten Musiksendung "Musikkonzert" auf dem staatlichen Sender KBS teilt sich im Verhältnis vier zu eins in Popmusik und Semi-Klassik. Die beiden anderen Sender sind deutlich kommerzieller ausgerichtet. Dennoch unterhalten alle drei Sender zur Nachtszeit, wenn die Zuschauerzahlen abnehmen, ein Musikprogramm für ein kleines Fachpublikum bzw. Maniacs in Genres wie westliche Klassik, Jazz oder traditionelle koreanische Musik. Bis vor zwei, drei Jahren gab es noch einen Kabelsender, der ausschließlich zu Themen wie Musik, Theater, Tanz und Literatur sendete. Er musste jedoch letztlich wegen finanzieller Schwierigkeiten aufgeben. Aber es gibt seit 30 Jahren einen Radiosender, der sich spezialisiert hat und den ganzen Tag Klassik spielt. Ich bin ein großer Fan des Senders und schalte auch gerne ein, wenn ich schreibe.

Welchen Stellenwert haben die unterschiedlichen Musikstile und -kategorien im koreanischen Leben?

In einem chinesischen Dokument aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. werden die Einwohner der koreanischen Halbinsel als "ein singendes und tanzendes Volk" bezeichnet. Als im 14. Jahrhundert n. Chr. mit der Joseon-Dynastie ein konfuzianischer Staat errichtet wurde, der von strengen moralischen Werten geprägt war, hat ein Reformpolitiker ein Sittenverbot von gemeinsamem Singen und Tanzen von Männern und Frauen gefordert, was bis dahin als ganz normale Kultur gepflegt worden war. Doch ganz gleich welcher Enthaltsamkeitsideologien, die Koreaner haben sich nie ihrer angeborenen Neigung für Unterhaltung und Amüsement enthalten, oder ihrer Liebe zur Musik abgeschworen. Auch heutzutage noch feiert das ganze Dorf gemeinsam, wenn die Ernte getan ist. Man mietet sich einen Bus, in dem getanzt und gesungen wird, während man zu verschiedenen Ausflugsorten fährt. Dann wären da noch die Noraebang (Karaokebar) zu nennen, die es in Südkorea gibt.
Ursprünglich kommt diese Kultur aus Japan, hat sich aber in Korea viel weiter verbreitet. Es gibt diese Singkabinen wie Sand am Meer, mehr noch als Cafés oder Kneipen. Man könnte fast sagen, Tanz und Musik fließt mit dem Blut in den Adern der Koreaner. Wie könnte man sonst erklären, dass die vielen koreanischen Musiker und Künstler, die im Ausland studieren, so erfolgreich sind? Das muss einfach im Blut liegen!
Ganz gleich welches Genre, sei es traditionelle Musik, westliche Klassik oder Popmusik, für Koreaner ist Musik wie die Luft, die sie atmen. Sie leben von Musik. Wenn ich morgens aufstehe, höre ich gleich Bach. Zuerst habe ich mich für Glenn Gould begeistert, neuerdings bevorzuge ich eher die etwas romantischeren Interpretationen von Kempbell oder auch Turek. Am Tag höre ich Mozart und wenn ich sehr beschäftigt bin, schalte ich das Klassik-Radio ein. Abends bevorzuge ich dann eher wieder Jazz. Am liebsten mag ich die Klänge des Cellos oder der Klarinette. Aber jetzt bin ich ein bisschen in die Jahre gekommen und kann mich für Pansori begeistern, eine Art traditionelle koreanische Operette, die in meiner Heimat (südwestlich gelegene Jeolla-Provinz) sehr berühmt ist. Musik ist für mich wie ein schönes Muster, das sich im Hintergrund meines Lebens entfaltet.

Im Rahmen der Veranstaltungen zur Buchmesse wird im Frankfurter Grüneburgpark ein koreanischer Garten angelegt werden, der auch nach der Messe bestehen bleibt. Die Beschreibung dieses Gartens mutet sehr traditionell-asiatisch an - so wie der Europäer sich dies wahrscheinlich vorstellt. Dennoch betonen Sie immer wieder, daß Korea das westlichste Land Asiens sei. Wie und worin äußert sich diese Westlichkeit?

Die Kosten für unseren Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse belaufen sich auf etwa 10 Millionen Euro. Irgendwie kommt es mir manchmal ein bisschen verschwenderisch vor, eine so teure Veranstaltung abzuhalten, die nach nur fünf Tagen wie ein großes Feuerwerk einfach vorbei ist. Außerdem interessieren sich nicht viele Europäer für das noch verhältnismäßig unbekannte Korea, da es meist im Schatten von Japan und China steht. Der Gastlandauftritt bei der diesjährigen Frankfurter Buchmesse ist eine gute Gelegenheit, Korea bei den sehr anspruchsvollen und wählerischen Europäern bekanntzumachen. Dabei ist meines Erachtens jedoch äußerst wichtig, dass diese Gelegenheit nicht als eine einmalige Veranstaltung endet, sondern Korea auch nach der Messe als das Gastland von 2005 in Erinnerung bleibt. Ich sehe die Möglichkeit, hier einen wichtigen Meilenstein zu legen, der der koreanischen Kultur als Plattform dienen kann, sich weiter in Europa zu etablieren. In diesem Kontext kann man auch den koreanischen Garten im Grüneburgpark verstehen. Dieser Garten soll als ein Medium dienen, das den Austausch zwischen deutscher und koreanischer Musik, Lyrik und Philosophie vorantreibt. Der koreanische Garten hat also die Funktion einer "nachhaltigen Unterstützung".
Wie man sich vorstellen kann, verkörpert der koreanische Garten eine asiatische Art. Doch wenn man genau hinsieht, erkennt man schnell, wie sehr er sich von chinesischen oder japanischen Gärten unterscheidet. Das ist ein Zeichen der spezifisch koreanischen "Lebensphilosophie". Der Garten ist nicht übermäßig künstlich, noch pompös oder etwa gedenksteinmäßig. In seiner Größe enthält er sich jeglicher Eitelkeit, ist schlicht, aber dennoch anmutig.
Man könnte natürlich gleich einwenden, dass es widersprüchlich ist, einerseits zu sagen, dass Korea das westlichste Land Asiens sei, und andererseits hier einen "asiatischen" Garten anzulegen. Darauf würde ich antworten: Ja. Und gerade dieser Widerspruch ist die Verkörperung der koreanischen Realität. Nur müsste man nicht "verwestlicht" sagen, sondern "vermodernisiert". Denn: natürlich ist zwar das Modell der Moderne dem Westen entlehnt, aber dennoch wäre es wohl eher ein eurozentristisches Mißverständnis zu meinen, dass alle Modernisierung gleich auch Verwestlichung sei.
Hätte ich gesagt, Korea ist das am modernisierteste Land Asiens, wäre das aus einem politischen Blinkwinkel heraus gemeint gewesen. In der jüngeren Vergangenheit haben die Koreaner ihre Regierung durch Wahlen demokratisch eingesetzt. Es gibt unzählige Bürgerinitiativen, die sehr aktiv sind und immer mehr Gehör finden. Als Präsident Roh Mu-hyun vor nicht allzu langer Zeit vom Parlament des Amtes enthoben werden sollte, ist er so lange suspendiert worden, bis das Verfassungsgericht schließlich gegen die Anklage entschied. Das mag jetzt aussehen, als wenn sich Korea so richtig am Spiel Demokratie laben würde, aber ein japanischer Schriftsteller meinte einmal zu mir, dass er Korea um eben diese Dynamik beneidet.
Seit vergangenem Mai sind zahlreiche deutsche Journalisten nach Korea gekommen, um über hiesige Schriftsteller zu recherchieren und mit ihnen Interviews zu führen. Die meisten haben gesagt, dass sie sich Seoul nicht so modern vorgestellt hätten. Über die Kombination von alten Palästen und modernen Wolkenkratzern haben viele gemeint, dass "Tradition und Gegenwart in einem ausgewogenen Gleichgewicht stehen". Darauf habe ich gesagt: "Auf gar keinen Fall! Das ist kein Gleichgewicht, sondern Ungleichgewicht. Es ist die Verkörperung des Chaos. Ich hasse diese monsterhafte Stadt!" Ich bin mir nicht sicher, ob sie verstanden haben, dass ich mit Chaos auch Vielfalt meine.

Welchen Einfluss hat diese Westlichkeit auf das koreanische Ausbildungssystem, insbesondere auf die Musikausbildung?

Man kann ohne Übertreibung sagen, dass das koreanische Erziehungssystem bis heute ein Prozess der Verinnerlichung der westlichen Moderne ist. Insbesondere in der Musikerziehung ist die musikalische Grammatik der westlichen acht Tonskalen, der wohltemperierten Stimmung und der Komposition Allgemeingut. Auch mein Gehör ist völlig darauf dressiert. Oder wie kann man sich sonst erklären, dass ein armer Student in der dunklen Zeit der 70er Jahre vor dem Plattenspieler eines Musikcafés in Trance verfallen den Klängen von Beethovens Violinkonzert in D-moll lauscht, während sein Bauch vor Hunger knurrt? Man muss sich einmal vorstellen, dass die teuren Konzerte der Berliner Philharmoniker oder der New Yorker Philharmoniker bei ihren Auftritten in Seoul im Nu ausverkauft waren!

Wie wird das traditionelle koreanische Musizieren gelehrt und weitergegeben?

Speziell in der Mittelschicht, deren Musikerziehung sich besonders auf klassische westliche Musik konzentriert, hat man sich von traditioneller koreanischer Musik entfremdet und deshalb auch kein Gehör mehr dafür. Aufgrund der konsequent verfolgten Kulturaustreibungspolitik während der japanischen Kolonialzeit war die traditionelle koreanische Musik fast ausgestorben. Zwar wurde der Fachbereich traditionelle Musik nach der Befreiung 1945 an manchen Universitäten eingeführt, doch der Trend zu westlicher Musik ist im Vergleich dazu überwältigend. In den 70er Jahren wurde im Zuge des Widerstandes gegen die Militärdiktatur die traditionelle Musik als Wiederstandskultur wiederentdeckt und traditionelle Musik fand so schließlich weite Verbreitung in großen Teilen der Bevölkerung. In letzter Zeit ist die Vermischung von traditioneller Musik und Popmusik oder Jazz sehr in Mode gekommen.
Dabei ist bemerkenswert, dass traditionelle koreanische Musik auch für zeitgenössische Komponisten immer noch eine wichtige Quelle darstellt, aus der sie schöpfen. Angefangen mit erstklassigen Komponisten, wie LEE Geon-yong, der in Frankfurt Komposition studiert hat, über LEE Man-bang, YU Byeong-eun usw., verwenden viele Komponisten, die im Ausland studiert haben, in ihrer Musik 5-Tonskalen-Melodien oder häufig wechselnde Rythmen oder atonale Konstruktionen, was eindeutig auf die kreative Verwendung der Grammatik traditioneller koreanischer Musik rückschließen lässt. Gegenwärtig nimmt der Anteil an traditioneller Musik wieder einen gewissen Raum in Lehrbüchern von Grund-, Mittelschulen und Gymnasien ein. Die Korean National University of Arts hat traditionellen Gesang gerade noch so retten können und setzt den Unterricht fort. An der Jungang Universität wird an der Fakultät für koreanische Musik ein spezieller Unterricht in traditioneller Musik angeboten. Am National Center for Korean Traditional Performing Arts, das bei unserem Gastlandauftritt das von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnete Werk "Jongmyjeryeak" aufführt, finden sich die Meister der traditionellen koreanischen Musik.

Wie sieht der Austausch zwischen den verschiedenen Kunst-Sparten aus?

Wie im Rest der Welt des 21. Jahrhunderts hat sich auch in Korea ein Trend zu undeutlichen Trennlinien zwischen den Genres manifestiert. Die Grenzen zwischen den Genres sind sehr durchlässig geworden. Aus meiner Perspektive gesehen, kann der Tanz als das avantgardistische Genre in Korea bezeichnet werden. Tanz wird in Korea schon seit langem anders als Theater oder Videokunst von den koreanischen Tänzern als etwas sehr schwierig Definierbares vorgetragen. Wenn man sich z.B. die Vorstellungen im Mousonturm im Oktober anschaut, wird schnell deutlich werden, was ich meine. Im Kunstverein kann man die nationalitätenlose zeitgenössische koreanische Kunst, ein wildes Gemisch aus Konzeption und Instutition, wiederentdecken. Im Vergleich dazu ist die koreanische Literatur überraschender Weise konservativ. Das heißt, Leser und Verleger, die immer noch am Buch gebunden sind und sich nicht mit anderen Genres vermischen können, sollten sich daran ein Beispiel nehmen.

Die Schriftstellerin OH Jeong-heui beschreibt, dass es bei Koreanern und Deutschen einen "Gleichklang der Herzen" gäbe. Sehen Sie das auch so und worin äußert er sich?

Der deutsche Schriftsteller und Kritiker Meyer Gosau hat nach einer Lesung von OH Jeong-heui im Juni gesagt, dass es ihm beim Zuhören kalt den Rücken heruntergelaufen sei. Er wollte damit sicher ausdrücken, wie beeindruckt er von OH Jeong-heuis literarischem Werk gewesen ist. Gleichzeitig gibt es auch Hoffnung für die gesamte koreanische Literatur. Denn es beweist, dass auch Deutsche von koreanischer Literatur emotional ergriffen sein können, trotz der sprachlichen und kulturellen Unterschiede, wenn nur der Text gut übersetzt ist. Ich denke, dass in der Literatur als solcher ein Puls schlägt, der, unabhängig von der kulturellen Herkunft, von jedem Menschen verstanden werden kann und so auch verbindet. Es gibt Koreaner, die weinen, wenn sie Mozart hören, weil die Musik so schön ist. Genauso wird es auch Deutsche geben, die bei von den Klängen traditioneller koreanischer Instrumente emotional ergriffen werden, wenn sie nur ein Gespür dafür entwickeln.

Welchen Stellenwert hat die deutsche Kultur in Korea?

Vor Kurzem kam ein Fernsehteam vom ZDF, um Aufnahmen zu machen. Sie haben in der Innenstadt von Seoul willkürlich Passanten angesprochen und zu ihrem Wissen über deutsche Schriftsteller interviewt. Erstaunlicher Weise war von jedem Befragten, ganz gleich ob Greis, Student oder Büroangestellter, ohne Ausnahme immer wieder der Name Goethe zu vernehmen. Des Weiteren kannte man Schiller, Heine, manchmal Rainer Maria Rilke, Thomas Mann und natürlich auch Günther Grass. Statistisch gesehen ist der Anteil der koreanischen Gesellschaft, der deutsche Literatur studiert hat, äußerst gering. Und es müsste ein sehr großer Zufall sein, wenn gerade diese Germanistik-Studenten genau an diesem Tag in der Innenstadt aufgetaucht sein sollten. Der ZDF-Journalist war sehr überrascht, wieviele Schriftsteller von den Passanten spontan benannt werden konnten, und hat sich laut gefragt, wieviele Deutsche wohl auch nur einen koreanischen Schriftsteller benennen könnten. Nicht nur das. Klingeltöne von Handys, Haustüren, Waschmaschinen und vielen anderen Geräten spielen in den meisten Fällen Melodien wie z.B. Mozarts "Kleine Nachtmusik" oder Beethovens "Für Elise". Mit einem Wort, westliche Musik ist ein alltäglicher Bestandteil für Koreaner. Ausserdem gibt es wohl keinen Intellektuellen in Korea, der sich noch nicht wenigstens einmal mit den Theorien und Philosophien von Denkern wie Kant, Hegel, Marx oder Nitzsche auseinandergesetzt hat. Durch Literatur, Musik und Philosophie hat Deutschland einen festen Platz in den Herzen und dem Bewusstsein der Koreaner.
So scheint aus koranischer Sicht Deutschland relativ nah, aber aus deutscher Sicht ist Korea wohl noch sehr fern. Korea steht weltweit an zweiter Stelle, was den Erwerb von Abdrucksrechten für deutsche Literatur betrifft! Aber es ist eine Einbahnstraße! Natürlich ist klar, dass man viel verlangt, wenn man sagt, in Deutschland solle man genauso viel über Korea wissen sollte, wie man in Korea über Deutschland weiß.

Der bedeutendste zeitgenössische asiatische Komponist ist YUN Isang. In Europa öffnete er die Tür in eine erweiterte musikalische Welt. Welche Stellung nimmt er für die moderne koreanische Kultur ein?

YUN Isang ist einfach großartig! Nicht nur als Musiker, sondern auch als Koreaner wird er sehr von seinen Landsleuten geschätzt. Ich denke, selbst die Agenten vom koreanischen Geheimdienst, die ihn vor 40 Jahren aus Berlin entführten, werden ihn persönlich verehrt haben. YUN Isang war insbesondere für die vielen Schriftsteller, Künstler und Intellektuellen, die während der Diktatur unter der Unterdrückung gelitten haben, wie ein leuchtender Stern am dunklen Nachthimmel. Andererseits kennen seine Musik wohl nur sehr wenige.
In diesem Zusammenhang war auch die Aufführung des Ensemble Modern im Juli im Seoul Arts Center von besonderer Bedeutung für mich. Dort habe ich nämlich zum ersten Mal eine Aufführung von YUN Isangs Musik live erlebt. Natürlich hatte ich seine Werke davor schon auf CD gehört. Aber es fiel mir sehr schwer, dieser zeitgenössischen Musik zu folgen, was an der Stereoanlage oder auch an meinem Unwissen liegen mag, was zeitgenössische Musik anbelangt. Mir ist jedoch dabei klar geworden, dass man zeitgenössische Musik live erleben muss, um einen Zugang zu bekommen. Neben YUN Isangs Oktett und Trio wurden auch Manfred Stahnkes "Frankfurt Musicbox", George Benjamins "At First Light" und Arnold Schönbergs Kammersymphonie op. 9 vorgetragen. Mir hat sich die Musik jedoch nicht in Form von Emotion genähert, sondern jeder einzelne Laut hat sich einen Weg zu meinem Ohr gebahnt, sich manchmal wie ein blutrotes Schwert hier und da in mein Fleisch gebohrt. Das war keine Musik. Es kam mir eher vor wie ein Komplott. Ich habe mich gefühlt, als sei ich in dieses Komplott mit hineingezogen worden, einfach so, ohne Vorwarnung, ohne Alibi für die Kunst.
So hat mich die Aufführung des Ensemble Modern auf einen unbekannten Weg einfach ausgesetzt und mich das musikalische Universum von einer neuen Perspektive aus betrachten lassen. Ich möchte nochmals betonen, wie dankbar ich dafür bin, diese Reise gemacht haben zu können!
Ich denke, es wird sehr wenig zeitgenössische koreanische Komponisten geben, die nicht in der einen oder anderen Weise von YUN Isang beeinflusst worden sind. YUN Isang ist für sie von solcher Größe, dass sie ihn wahrscheinlich weniger übertreffen wollen, sondern vorziehen, einen Bogen um ihn zu machen. Das Yun-Isang-Musikfestival, das jedes Jahr in der Heimat YUNs, der südlichen Hafenstadt Stadt Tongyeong, stattfindet, ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sich hier die ganzen "Umgehungsstraßen" wieder zusammenfinden. Am 17. Oktober wird das Ensemble Modern in der Mozarthalle der Alten Oper eine Aufführung unter dem Titel "Yun Isang und danach - zeitgenössische koreanische Musik" geben. Das wird eine gute Möglichkeit sein, die verschiedenen Verzweigungen der modernen koreanischen Musik zu erleben, die sich aus dem monolithischen Ausrufezeichen YUN Isang herausgebildet haben.

Was bedeutet die Teilung ihrer Heimat im Kulturbereich?

Ich denke, dass in den meisten Fällen Koreaner Symphatien für Deutschland haben, weil man auch in Deutschland eine Erfahrung mit der Teilung hat. Korea ist immer noch geteilt. Es ist das letzte noch geteilte Land auf diesem Globus. Dieses Jahr sind es genau 60 Jahre seit der Teilung. Der größte Schaden, den die Teilung von Nord- und Südkorea angerichtet hat, ist wohl das Gefühl der gegenseitigen Entfremdung. Jedes Mal wenn Südkoreaner nordkoreanische und Nordkoreaner südkoreanische Kultur sehen, wächst das Gefühl der gegenseitigen Befremdlichkeit ein Stück weiter. Selbst ich frage mich häufig, wenn ich nordkoreanische Filme sehe, nordkoreanische Literatur lese oder nordkoreanische Musik höre, ob man das unbedingt so und nicht auch anders machen kann und werde ärgerlich. Und ich habe während der Demokratiebewegung schon so einiges an Schwierigkeiten erlebt. Trotzdem versuche ich zu verstehen, woher dieses Gefühl der Ablehnung kommt, und muss eingestehen, dass ich, obwohl ich lange gegen das System im Süden gekämpft habe, mich auch irgendwie angepasst habe. Deshalb versuche ich immer, mich in die Position des anderen hineinzuversetzen und zu verstehen, was mir aber ehrlich gesagt nicht immer leicht fällt. Es ist eine sehr komplizierte Angelegenheit. Aus diesem Grund habe ich Vorbehalte gegenüber dem Ansatz, den kulturellen Austausch zwischen Nord und Süd unbedingt zu forcieren, um Gemeinsamkeiten wiederzuentdecken. Vielleicht muss der Kulturaustausch sogar an allerletzter Stelle kommen, wer weiss?

Gibt es denn einen künstlerischen Austausch mit Nordkorea oder ist dies - auch inoffiziell - völlig unmöglich?

Seit der Sonnenschein-Politik der Kim-Dae-Jung-Regierung hat der Kunstaustausch zwischen Nord- und Südkorea erste zaghafte Ansätze gezeigt. Ich bin auf einem Konzert in Pyeongyang gewesen, bei dem verschiedenste Popstars aus Südkorea aufgetreten sind. Ich frage mich natürlich schon, wie die Pyeongyanger Bürger die verschiedenen Genres wie Trottmusik, Rock und Pop aufgenommen haben. Als ich später eine Frau des nordkoreanischen Begleitpersonals fragte, sagte sie, dass sie nicht verstehe, warum die südkoreanischen Sänger auf diese Weise auftreten würden. Ich kann mir gut vorstellen, dass es länger als 60 Jahre braucht, bis solche Unterschiede aufgehoben sind. Man braucht Geduld. Doch gerade in der Kunst ist Geduldhaben sehr schmerzvoll.
Ich war einmal in einem nordkoreanischen Zirkus, der in Seoul gastierte. Die Vorstellung war nicht schlecht. Damals ist mir der Gedanke gekommen, ob man den Austausch nicht vielleicht in Bereichen beginnen sollte, die nicht so viel oder gar keine Bedeutung transportieren.
Ich bin der Meinung, dass ein inoffizieller Kulturaustausch nicht möglich sein wird, weil die Unterschiede zwischen dem nordkoreanischen und dem südkoreanischen System zu groß und die Entscheidungsprozesse zu verschieden sind.

Ist es richtig, dass das Goethe-Institut einen besonderen Einfluss auf den Austausch von Nord- und Südkorea hatte, bzw. diesen förderte?

Das Goethe-Institut in Seoul hat seit kurzem ein Informationszentrum in Pyeongyang eingerichtet, das als eine Art Zweigstelle funktioniert. Ich denke, dass es von äußerst großer Bedeutung ist, den Austausch zwischen Nord- und Südkorea unter dem Namen Goethes voranzutrieben. Das Goethe-Institut hat im August eine Anfrage nach Nordkorea geschickt, ob nicht auch nordkoreanische Schriftsteller an der Frankfurter Buchmesse teilnehmen wollten. Leider haben sie bisher noch keine Antwort erhalten.

In den 1980er Jahren begann in Korea eine "Verwischung zwischen hoher und Populär-Literatur". In Deutschland wird oftmals die Trennung zwischen so genannter U- und E-Musik bemängelt. War eine ähnliche Entwicklung wie in der Literatur auch für die koreanische Musik festzustellen?

In Korea gibt es immer noch eine Grenze zwischen Hochliteratur und Populärliteratur. Wo die Grenze zwischen den beiden Niveaus gezogen werden muss, wird meistens von Literaturkritikern bestimmt. Doch komischer Weise werden Werke von Schriftstellern wie HWANG Seok-yeong, LEE Mun-yeol, JO Jeong-nae, PARK Gyeong-ni und PARK Wan-seo, die alle zur Hochliteratur gezählt werden, Bestseller oder Millionenseller, sobald sie erscheinen. Häufig werden sie auch für Fernsehen oder Kino verfilmt. So ist der Maßstab für "hohe" und "populäre" Literatur sehr uneindeutig.
Ich hatte früher immer eine Abneigung gegen die Atmosphäre koreanischer Klassik-Musiker, die ich als irgendwie bourgeois empfunden habe. Deshalb habe ich mich eher für Musiker begeistert, die ohne Fliege und in Jeans Mussorgskys Klavierwerke spielen. Ich habe auch gehört, dass gemischte Duetts von Popsängern und Tenören durchaus unterhaltsam sind. Aber heutzutage findet jeder Klassik-Pop toll und es fängt langsam an zu nerven. Es ist auch bedenklich, weil die musikalische Leidenschaft und Tiefe sehr unter der starken Abhängigkeit von der Unterhaltungsindustrie leidet. Die im Internet kursierenden Raubkopien sind eine zusätzliche Belastung, die der Entwicklung von Musik hinderlich sind.

Worin wurzelt das von Ihnen genannte "Offene, ohne-Anfang-noch-Ende" der koreanischen Kunst?

Am 19. Oktober wird im Sendesaal des Hessischen Rundfunks das Jongmyojeryeak aufgeführt. Diese Palastmusik aus der Joseon-Dynastie ist als geistiges Kulturgut Nummer 1 registriert und auch von der UNESCO als Weltkulturerbe dokumentiert. Aber ehrlich gesagt finde ich die Musik sehr abstrus und langweile mich bei der Aufführung. Ich verfalle gleich in eine Müdigkeit und bald fällt der Schlaf über mich her. Die Melodie repliziert sich ohne Unterlass immer wieder selbst und läuft einfach endlos. Und wie langsam das Ganze dazu noch ist! Man sieht weder Anfang noch Ende. Das Stück steht völlig offen. Es ist scheint, als wenn die Musik schon vor Beginn gespielt hat und nach dem Ende der Aufführung weiterläuft. Man bräuchte sie also gar nicht von Anfang an zu hören. Man könnte an jeder beliebigen Stelle aussteigen. Man könnte meinen, das Jongmyojeryeak zeige einem das Universum der Musik für einen kleinen Moment, so wie man ein Fenster öffnet und dann wieder schließt.
Ein zeitgenössischer Komponist, mit dem ich befreundet bin, ist vollkommen begeistert von dieser Musik. Ich war einmal (wohl mehr aus Höflichkeit) bei der Vorstellung eines neuen Werkes von ihm. Für mich klang das eher wie die Effektmusik aus einem Horrorfilm, so schrecklich war das. Aber davon abgesehen, meine ich, irgendeine Art Gemeinsamkeit zwischen seiner Musik und dem Jongmyojeryeak ausgemacht zu haben. Es ist diese Offenheit, Unvollständigkeit, Selbstrepetition und Endlosigkeit, die sich sehr ähnlich sind. Ebenso würde ich auch von YUN Isangs Musik sagen, dass sie sich irgendwo mit dieser alten Palastmusik berührt.
In diesem Sinne meine ich, kann die koreanische Musik nicht in der Kategorie einer aristotelischen Selbstvervollständigung und Selbstgenugtuung der Form erfasst werden. Das beste Beispiel dafür ist traditionelle darstellende Kunst wie Pansori oder Maskentanz, die auf dem Madang, dem Hof aufgeführt werden. Anders als beim Proszenium sind die Künstler von den Zuschauern umringt, die Zuschauer selbst bilden die Bühne, die so immer ein zugänglicher, offener Raum bleibt. Die Zuschauer können jederzeit an der Performance teilnehmen und direkt in einen Dialog mit den Künstlern treten. Insofern sind die Vorführungen bei jeder Veranstaltung anders, weil sie sehr von den Reaktionen der Zuschauern abhängen. Der Abstand zur Bühne ist aufgehoben. Diese Art der Performance ist sehr besonders und auf unerwartete Weise auch zeitgenössisch. Am 8. und 9. Oktober wird im International Theater das Pansori-Stück Simchong aufgeführt. Dort wird man die Madang-Kultur Koreas kennenlernen können.

Als die verbindenden Prinzipien, welche die koreanische Kunst der Gegenwart durchziehen, nannten Sie: "Licht ohne Schein", "Farben ohne Glanz" als Schlüsselbegriffe, die für Europäer zuerst einmal erstaunlich sind. Könnten Sie anhand dieser die gegenwärtige Kunst noch einmal charakterisieren.

"Licht ohne Schein", "Farbe ohne Glanz", das sind Erbstücke der koreanischen tradionellen Kultur. Ich habe diese Prinzipien so benannt, um die Ästhetik der Koreaner prägnant zu beschreiben, wie sie sich in Bauwerken, Kleidung, Geschirr, Möbeln oder Kunstwerken manifestiert. Traditionell gebaute Häuser, traditionelle Kleidung oder Geschirr werden in Korea eindeutig nicht visuell, sondern sensuell erfahren. Das heißt, sie sind weniger dafür gedacht, aus der Ferne betrachtet zu werden, sondern eher so geschaffen, dass man sie mit den Fingern betasten möchte; ganz gleich, ob es der Holzfußboden, die Säulen oder das weiße Porzellan ist. Diese Dinge sind zwar einfach nur an ihrem Platz, scheinen aber zu jeder Zeit noch die Körperwärme der Menschen gespeichert zu haben, die vorbeigangen sind und sie berührt haben. Sie scheinen zwar, aber reflektieren diesen Glanz nicht, und haben Farbe, aber strahlen sie nicht aus. Es scheint, als hätten sie sich einmal gehäutet. Koreaner bevorzugen ein angenehm-natürliches Gefühl auf der Haut und dies spiegelt sich so auch in der Architektur, der Kunst, der Musik und der Literatur wider. Auch in diesen Kunstwerken breitet es sich gleichmäßig, nach einem ästhetischen Prinzip aus.
Auch die Bilder des in Korea zur Zeit beliebtesten zeitgenössischen Malers PARK Su-geun strahlen diese Wirkung aus. Sie sind kalt und schroff wie Granit. Man kann sagen, dass sich bei gut der Hälfte der zeitgenössischen Kunst in Korea so glanzlose, trockene, kompakte und abstinente Aspekte manifestieren. Diese spezifisch koreanische Ästetik tritt noch um so deutlicher hervor, wenn man sie neben chinesische oder japanische Kunst stellt. Ich hoffe, dass dieses charakteristisch koreanische Kunstbewusstsein durch das diesjährige Gastlandprogramm für das internationale Publikum zugänglich und erfahrbar wird. Ich bin davon überzeugt, dass mindestens die deutschen Besucher gleich erkennen, was "Licht ohne Schein" und "Farbe ohne Glanz" bedeutet. Denn ich glaube, dass das ästhetische Empfinden in Deutschland bereits solche Aspekte enthält.

Gibt es dafür eine geschichtlich-philosophische Herleitung?

Natürlich gibt es die. Die historisch-philosophische Quelle, die in der gesamten koreanischen Musik im Innern wirkt, ist wohl in weiten Teilen der ostasiatischen Kunst zu finden, also Ying und Yang und die Fünf Elemente. Insbesondere in der Architektur, der Kunst und der Musik ist die Verwendung des Prinzips der Fünf Elemente zu finden. Die fünf Richtungen, Farben und Tonskalen werden je nach ihren eigenen Regeln kreiert und vorgetragen. Aber wenn ich Ihnen das ausführlich erklären wollte, würde das den Rahmen sprengen. Wichtig ist nicht die Herleitung dieser Prinzipien, sondern die für koreanische Kunst charakteristischen Aspekte, die wir mit unserem Empfinden und unseren Emotionen vernehmen.

Wenn Sie drei Dinge nennen sollten, die für Sie Korea auszeichnen bzw. unverwechselbar machen, welche wären das?

Tempo, Chaos, Aktivität? Lachen.

Ensemble Modern