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Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr

von Bernhard Gander

In Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr vertont der österreichische Komponist Bernhard Gander ein Libretto des ukrainischen Schriftstellers Serhij Zhadan und entwickelt in gemeinsamer Arbeit mit der Regisseurin Alize Zandwijk sowie Solist*innen des Ensemble Modern und der Deutschen Oper Berlin eine neue Oper.

Als Auftragswerk der Münchner Biennale orientiert sich Ganders und Zhadans Musiktheater inhaltlich an der Thematik der kommenden Festivalausgabe: dem Freundschaftsbegriff. In der Freundschaft begegnen sich »Gleichgesinnte freiwillig auf Augenhöhe«. Die Erwartungen, die sich mit Freundschaft verbinden, machen sie aber auch anfällig für große Enttäuschungen und Verletzung. Besonders kritisch wird es, wenn man von »Freundschaften« unter so abstrakten Gebilden wie Staaten, Nationen oder Völkern spricht. Waren es in den letzten zweihundert Jahren das Alte Europa, die USA und die Sowjetunion, die auf »Freundschaft« mit ihren Nachbarn bestanden, so verpflichtet sich neuerdings China mit vielfältigen Aktivitäten diverser Staaten in Afrika – und entlang der Grenzen Russlands gibt es eine ganze Reihe neuer alter Konflikte mit und um benachbarte »Freunde und Verwandte«.

In ihrer Uraufführung beschäftigen sich Gander und Zhadan mit den äußerst komplizierten Grenz- und Freundschaftslinien, die zwischen ehemals fest verbundenen Staaten verlaufen. Zhadan nimmt dazu die existenziellen Herausforderungen des russisch-ukrainischen Verhältnisses als Ausgangspunkt seines Librettos. Anhand einer exemplarischen Grenzpostensituation verhandelt Zhadans Text die dramatischen Auswirkungen von Krieg, Vertreibung und Flucht auf das menschliche Individuum. Die dort auftretenden Figuren sehen sich mit der Frage konfrontiert, wie man sich für eine Sache entscheiden soll, wenn die kulturellen, historischen, politischen und individuell-biographischen Verhältnisse zu komplex und in sich widersprüchlich sind, als das eine »richtige« Entscheidung überhaupt noch gelingen kann.

Dazu spielt ein faszinierendes Quintett des Ensemble Modern unter der Anleitung von Dirigentin Elda Laro elektronisch verzerrte Todesmärsche, rhythmisierte Verzweiflungsmusiken und Untergangstänze, die Sänger skandieren und rappen mehr als sie singen.Süddeutsche Zeitung, Reinhard J. Brembeck
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Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr (Trailer)